Frauenhass extrem – Incels und was dahintersteckt

Verfasst von Maria | 19.06.2021 | 16:15

Es gab vermutlich schon immer Menschen, die Frauen aus ihrem tiefsten Inneren hassen. Die Ursachen können dabei völlig verschieden sein. Doch in den letzten Jahren entstand eine Gruppe von vorrangig weißen Cis-Männern, die den Frauenhass auf eine neue Ebene gehoben haben. Ich spreche von der Gruppierung der sogenannten „Incels“.

Der Begriff „Incel“ setzt sich dabei aus dem englischen Wort „involuntary“ für unfreiwillig und „Celibacy“ für Zölibat zusammen. Die Menschen, die sich dieser Gruppe angehörig fühlen, sehen sich also unfreiwillig im Zölibat lebend. Und wer ist daran schuld? Ja natürlich, die Frauen. Und im Besonderen natürlich der Feminismus und die Tatsache, dass Frauen über ihren eigen Körper bestimmen und sich ihre Sexualpartner:innen frei auswählen können, was dafür gesorgt hat, dass nicht mehr für jeden Mann eine Frau da ist. Doch sie geben nicht nur den Frauen die Schuld daran, dass sie keine Partnerin abbekommen, auch genetische Faktoren, sowie das natürliche Attraktivitätsgesetz tragen die Verantwortung dafür, dass sie von niemandem gewollt werden.(1)

DIE GESCHICHTE VON CHAD, STACY UND BECKY

Um ihre Theorie noch weiter zu untermauern und zu beweisen, dass Incels die Opfer sind, berufen sie sich auf vier Typen von Menschen. Auf der männlichen Seite findet sich hier „Chad“. Chad ist der Traummann, den alle Frauen wollen. Er hat ein breites Kinn mit symmetrischen Gesichtszügen, ist muskulös, außerdem trägt nur teure Markensachen, kurzum alle Frauen fliegen auf „Chad“. Ihm gegenüber steht der Anhänger der Incels. Er wird als das komplette Gegenteil eines „Chads“ beschrieben. Er ist schüchtern, trägt unauffällige Kleidung, ist nicht muskulös und wird von den Frauen eher gemieden.

Auch die Frauen werden in zwei verschiedene Gruppen unterteilt. Auf der einen Seite stehen die „Stacys“. Die Attribute einer „Stacy“, die Männer sofort in Erregung versetzen, sind vor allem große Brüste und ein großer Po. Sie haben lange blonde Haare und tragen immer perfektes Make-Up. Außerdem leben und lieben sie den puren Luxus, für den sie natürlich nicht arbeiten. Beziehungen gehen sie ausschließlich nur mit „Chads“ ein. Der Gegenpart einer „Stacy“ ist die „Becky“.

Eine „Becky“ ist unauffällig, hat keine großen Brüste und einen flachen Po, weshalb sie ab und zu Leggings trägt, um wenigstens ein paar Blicke auf sich ziehen zu können. Sie wird als Feministin beschrieben, die sich früher oder später für ein bisschen Aufmerksamkeit die Haare grün, pink oder blau färbt. Incels unterstellen ihr, dass sie gerne mit einem „Chad“ schlafen würde, dass aber aufgrund ihrer Optik nicht kann. Außerdem fühlen sich Incels den „Beckys“ überlegen. Sie sind der Meinung, dass eine „Becky“ niemals mit einem „Chad“ zusammenkommen würde, weshalb sie ihnen Aufmerksamkeit und Sex schulde.(2)

So ein bisschen erinnert diese Zuteilung etwas an einen amerikanischen High School-Film, nur das dort im Happy End die „Stacy“ meistens doch mit dem unscheinbaren Jungen und die „Becky“ mit dem „Chad“ zusammenkommt. Aber wo kommen diese Bilder und Definitionen ursprünglich her?

WANN IST EIN MANN EIN MANN?

Die Australische Männerforscherin Raewyn Connell prägte in diesem Zusammenhang den Begriff der „Hegemonialen Männlichkeit“.(3) In der „Hegemonialen Männlichkeit“ gilt es weiß, cis-Gender, heterosexuell, eigenständig, individualistisch, muskulös, dominant, wettbewerbsfähig und sexuell aktiv zu sein, wenn man ein „richtiger Mann“ sein will.(1) Männer, die diesem Bild nicht entsprechen werden marginalisiert.(3)

Incels sehen sich durch das überzeichnete Bild von Männlichkeit als völlig unfähig diese Form zu erreichen, wodurch ein Feindbild geschaffen werden muss. Auch der Wandel, dass es für Männer natürlich ist Gefühle zu zeigen und auch mal zu weinen, wird sehr kritisch betrachtet. Diese Entwicklung gilt vor allem als „Verweiblichung“ und wird als Krise der Männlichkeit gesehen, die zur Radikalisierung führt.(1)

RED PILL ODER BLACK PILL?

Das Leben ohne Sex ist für Menschen der Incel-Bewegung das Schlimmste überhaupt. Schuld daran sind vor allem Frauen. Dennoch unterscheiden sich Incels und lassen sich in zwei Gruppen unterteilen. Dazu gehören die sogenannten „Red Pills“ und die „Black Pills“.(4)

Zu der Gruppe der „Red Pills“ gehören Männer, die sich mit ihrem vermeintlichen Schicksal noch nicht abgefunden haben. Sie unterziehen Schönheitsoperationen und lassen sich auf Seiten wie Lookism.net bewerten.(5) Lookism.net ist eine Seite, auf der Männer Bilder von sich hochladen, um sich bewerten zu lassen. Diese Bewertungen enden meistens in Beleidigungen, Demütigungen und verbalen Angriffen.

Das Gegenteil der „Red Pill“ ist die „Black Pill“. Incels, die die „Black Pill“ geschluckt haben, haben sich mit ihrem Schicksal arrangiert und denken, dass sich nie etwas in ihrem Leben ändern wird.(4) Sie sind auch der gefährlichere Teil der Incel-Bewegung. Sie haben einen extremen Frauenhass entwickelt. Frauen werden unter anderem als „Femoids“, also nur menschenähnliche Wesen, Löcher oder Toilette bezeichnet.(5) Der Frauenhass reicht soweit, dass auf Seiten wie looksmacks.com (Anm.: Seite nicht mehr online) Bilder und Videos von vergewaltigten Frauen veröffentlicht wurden oder auch von anderen Straftaten mit sexuellem Hintergrund. Die höchste Form, in die der Frauenhass gipfeln kann, ist dann letztendlich der Femizid.(5)

SIND INCELS GEFÄHRLICH?

Diese Frage pauschal zu beantworten ist denke ich nicht möglich. Viele Anhänger sind vermutlich verunsicherte Menschen mit einem falschen Selbstbild, die sich ihrem Selbstmitleid und ihrer Fantasie hingeben und für sich keinen Platz in der Gesellschaft gefunden haben. Vornehmlich tauschen sie sich in Foren oder auf Diskussionsboards wie „Reddit“ aus. Untersuchungen zeigten jedoch, dass diese Diskussionen immer toxischer werden.(6)

In der Veröffentlichung der Heinrich-Böll-Stiftung unter dem Namen „Die antifeministischen Männerrechtsbewegung: Denkweisen, Netzwerke und Online-Mobilisierung“ wird beschrieben, wie weit Anhänger der Incel-Bewegung online gehen. Von „allgemeinen Gewaltfantasien gegen Feministinnen, über ‚Steckbriefe‘ und Fotos, die gezielte Verunglimpfung von Personen bis hin zu gezielten Vergewaltigungs- und Morddrohungen, die teilweise über das Netz hinausgehen“(6), findet sich online alles. Richtig gefährlich wird es dann, wenn diese Fantasien Realität werden. So geschehen im Mai 2014 als der 22-jährige US-Amerikaner Elliot Rodgers mit seinem Amoklauf sechs Menschen in den Tod schickte.(4) In seiner 141-seitigem Taterklärung beschreibt er genau, warum die sogenannten „Stacys“ und „Chads“ den Tod verdient haben. Ein weiterer Amoklauf, der auf ein Mitglied der Incel-Community zurück geht, geschah 2018 in Toronto. Der Täter, Alek Minnasian, gibt in seinem Facebook-Post vor der Tat an, dass die Incel-Rebellion bereits da sei und alle „Chads“ und „Stacys“ überrollen würde.(4)

„Man kann nichts machen, bevor etwas passiert ist“

In Deutschland wird die Incel-Bewegung vom Bundesverfassungsschutz noch nicht als kritisch eingestuft. Auch wenn auf dem größten Online-Incel-Forum unter den 13.000 Mitgliedern auch Menschen aus Deutschland zu finden sind, heißt es: „Die Incel-Bewegung selbst ist derzeit kein Beobachtungsobjekt des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV). Gleichwohl gilt, wann immer bekannt wird, dass sich Extremisten der Bewegung zurechnen, trägt das BfV diesem Umstand bei seiner Bearbeitung Rechnung“.(6)

Leider scheint es im Fall der Incel-Bewegung zu heißen „Man kann nichts machen, bevor etwas passiert ist“. Denn auch wenn es scheinbar klare Anzeichen dafür gibt, dass diese Bewegung in Deutschland immer mehr an Zuwachs gewinnt und sich mitunter auch radikalisiert, scheint es von offizieller Ebene keinen Handlungsbedarf zu geben.

Ich bin der Meinung, dass es auch hier, wie in so vielen Fällen, besser heißen sollte „Vorsorge ist besser als Nachsorge“, jedoch wissen wir ja, dass die Menschheit bekanntlich nicht unbedingt aus ihren Fehlern lernt.

Die besten Grüße, Maria

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Verfasst von Maria

Ich habe Publizistik- und Kommunikationswissenschaft sowie Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin studiert. Jetzt schreibe ich gern zu den verschiedensten Themen, die mich bewegen, interessieren und zu Diskussionen anregen.

 

Quellen

(1) C.R., & Aunspach, C. (2020). Incels, Compulsory Sexuality, and Fascist Masculinity. Feminist Formations 32(3), S. 145-172

(2) Jennings, R. (28. April 2018). Incels Categorize Women by Personal Style and Attractiveness. Abgerufen Juni 2021: https://www.vox.com/2018/4/28/17290256/incel-chad-stacy-becky

(3) Connell, R. W. (1999). Der gemachte Mann. Konstruktionen und Krisen von Männlichkeit. VS Verlag für Sozialwissenschaften. S. 98

(4) Knaus, G. (15. März 2019). Incels: Wenn sexuelle Frustration in Frauenhass umschlägt. Abgerufen Juni 2021: https://futter.kleinezeitung.at/incels-wenn-sexuelle-frustration-infrauenhass-umschlaegt/

(5) Frauenhass und Terror: Was die „Incel“-Szene so gefährlich macht (2020). ZDFheute Nachrichten. https://www.youtube.com/watch?v=jp-ZG7EfdiA

(6) https://story.ndr.de/incels/index.html#section-1-Vereint-im-Hass-Dr1Pn0iqeu


Kerstin Brueller

I am a qualified graphic designer, illustrator, designer, an enthusiastic writer and speaker in the field of ethics and animal liberation, and one of the founders of the vegan merch collective RULE OF NINES based in Vienna/Austria.

https://www.kerstinbrueller.com
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